Der vierte Tag auf Gili stand ganz im Zeichen des Schnorchelns. Die ängstliche Änn witterte nicht nur Gefahr, sie war sich des Risikos im offenen Meer verschollen zu gehen zu 100 Prozent bewusst. Eigentlich wollte sie ungern den anderen ihre ängstliche Seite auf dem Tablett servieren. Es gab nur noch einen Ausweg, sie musste sich heimlich von der Gruppe entfernen, damit diese ohne sie in See stach. Ein Plan musste her, aber schnell.
Auf dem Weg zum Bootsanleger suchten sie wie wild nach einer unauffälligen Gelegenheit. Änn war durstig und benötigte Wasser. Die anderen nicht. Perfekt, dachte sich Änn und teilte der Gemeinschaft mit, dass sie noch schnell im Kiosk eine Flasche Wasser kaufe. Die anderen begaben sich derweilen zum Bootsanleger, dort wo die Tour beginnen sollte. Nach dem gelungen Wassererwerb, der sich planmäßig durch ein erschöpftes Wechselgeldkontingent des Kioskbesitzer verzögerte, irrte Änn orientierungslos in die falsche Richtung. Sie lief und lief, scheinbar ohne Ahnung wo es hin gehen sollte. Einige Minuten vergangen. Änn fragte sich, ob die anderen bereits abgelegt hätten. Vorher könnte sie nicht den Weg zurück zum Hotel antreten. Nicht, dass die anderen sie dann noch erhaschen würden. Sie suchte ihr Handy in ihrer Tasche um herauszufinden wie spät es war. Dabei entdeckte sie die Quittung für die Schnorcheltour. Ohne diese Quittung gingen die anderen nicht an Board – Mist. Sie würden sie suchen. Sich zu verstecken würde nichts nützen. Änn blieb nichts anderes übrig als zur Gruppe zurückzukehren. Damit diese ihren teuflischen Plan nicht durchschauten, muss sie so tun als hätte sie überall nach ihnen gesucht. Am besten sie lief panisch dorthin, dachte sie, das wirke dann realistisch. Sie wuschelte sich durchs Haar, schmierte sich Dreck an die Stirn, damit sie auch wirklich einen verwirrten und herrenlosen Eindruck machte. Schimpfend auf die indonesischen Menschen, die ihr immer den falschen Weg angesagt hatten, kam sie bei der Gruppe an, die überraschender Weise noch ganz entspannt war. Hatten sie Änn etwa nicht vermisst. Naja, dachte sich Änn, hätte ja klappen können. Jetzt aber musste sie da durch. Das tiefe Meer mit all seinen Gefahren lauerte schon auf sie. Ihr wurde mulmig. Nein das war jetzt etwas geflunkert. Änn verlor die Gruppe nicht mit Absicht. Sie verlief sich tatsächlich. Sie bemerkte nicht, dass die anderen wenige Meter neben dem Kiosk warteten und lief in die falsche Richtung.
Trotzdem hatte Sie Angst. Angst vor dem Wasser, Angst vor der Strömung, Angst unter zu gehen und noch mehr Angst davor, dass die anderen über sie lachen würden.
Tatsächlich fiel Änn zwischen den vielen Chinesen, die alle samt mit auffällig gelben Schwimmwesten ausgestattet waren, nicht auf. Fränn und die anderen beiden lachten trotzdem. Sicher fühlte sich Änn trotz Schwimmweste nie. Beim ersten Ausstieg ins tiefe Meer verpasste Änn den Ausblick auf all die bunten Fische und interessanten Pflanzenarten und schwimmenden Schildkröten. Wobei man erwähnen muss, dass die ängstliche Änn zuvor noch nie schnorcheln war und somit gab sich die Gruppe große Mühe Rücksicht zu nehmen. Fränn die Schildkrötenliebhaberin machte ihren Ruf alle Ehre und war die erste über Board, sie konnte es kaum erwarten die Panzertiere in freier Wildbahn zu beobachten. Mit etwas Übung war es dann endlich geschafft und auch Änn konnte die neue Freiheit im Wasser genießen.
Nachdem der Schnorcheltrip sich dem Ende neigte und wir etliche Schildkröten und bunte Fische gesehen hatten, lud der Bootsführer den vollbesetzten Kahn mit den mutigen Schnorchelern noch kurzer Hand an einem Nepper-Schlepper-Restaurant auf Gilli Air ab.
Auf Gili Air machte der schmutzige Strand nicht positiv auf unsere kleine Reisegruppe aufmerksam. Viel Plastikmüll und Kronkorken sprachen ihre unsauberen Bände. Zurück auf Gili Trawangan zwickte Änn & Fränn schon wieder der Magen. Von der kleinen Portion im Nepper-Schlepper-Restaurant konnte man eher arm statt satt werden. Eine Durian stand auf unserer nachmittäglichen Speisekarte. Die beiden hungrigen Mädels ergatterten eine Frucht für 25.000 Rupiah (1,60 Euro). Vor der sogenannten Stinkefrucht warnten Frank und Diana und ließen es sich nicht nehmen minütlich auf den angeblich unangenehmen Geruch der Frucht hinzuweisen. Auf ganz Gili ist es verboten die Durian mit aufs Zimmer der Unterkunft zu nehmen. Sie darf nicht in geschlossenen Räumen verzehrt werden. Alles wegen ihres stinkenden Rufes. Änn & Fränn waren aber unbefangen und gaben dem ungeliebten Stinkeobst eine Chance. Natürlich musste dieses videodokumentarisch festgehalten werden. Diana und Frank übernahmen die Moderation und befahlen den neugierigen Vorkosterinnen den Prozess schnell durchzuführen.
Die Frucht schmeckte uns nicht. Sie war weich, sah von innen ekelig aus und der Geschmack war schlimmer als der Duft. Wir wirkten und brachten keinen vernünftigen bzw. bewertbaren Bissen herunter. Änn dachte das Obst wäre schlecht. Die Frucht schmeckte nach alten Zwiebeln in einer abgestandenen Sahnesoße, auch Fleischreste könnten dabei gewesen sein. Die Tapferkeit der beiden Foodpacker reichte an diesem Nachmittag nicht aus. Diesmal gewann das Essen.
Änn & Fränn versagten das erste Mal. Als wir die Frucht entfernen wollten, und zwar auf eine seriöse Art in die Mülltonne werfend, meldeten sich die jungen indonesischen Schuhverkäuferinnen, die das Verkostungsschauspiel von gegenüber beobachteten. Sie konnten nicht verstehen, dass die Durian uns nicht zu sagte. Sie baten darum, den Rest essen zu dürfen. Nichts leichter als das. Fränn übergab die Frucht den Einheimischen. Sie bedankten sich höflich und verzehrten dann die aus ihrer Geschmacksknospensicht köstliche Frucht mit Genuss. Sie verschlangen sie regelrecht und lutschten genüsslich den Kern der Durian ab. Wir hatten noch lange an diesem Abend mit dem Zwiebelgeschmack im Mund zu kämpfen. Am Abend gab es als Entschädigung einen kleinen Lobster zum Abendbrot.
Nach einem erfrischenden Poolbesuch begab sich unsere bescheidene Reisegruppe auf den Weg die Rücktour von der Insel mit dem Speedboot zu buchen. Die inselansässigen Reisebürostände waren sich alle über den Preis einig. Es gab auch keine Tour mit dem Boot direkt nach Sanur. Die Frau in Padang Bai hatte uns also nicht belogen. Jetzt mussten wie mir den Konsequenzen leben. Beim Auschecken der Preise für die Bootstouren wurden wir von Frank, der mit seiner charmanten angeschwipsten Art die Wahrheit und das beste Angebot herausholen wollte, belustigt. Oft zückten die Verkäufer erst einmal ihr Handy und erkundigten sich angeblich ob noch Plätze auf den hoch beliebten Booten frei wären. Wir wussten, dass sie nur mit ihren Müttern redeten und uns vortäuschen wollten auf dem Boot gäbe es nur noch wenige Plätze. Netter Versuch aber wir durchschauten diese Art teuflischen Planes.
Der letzte Tag auf Gili brach an. Es war mal wieder ein Freitag. Der letzte Freitag. Wie oft hatten wir die Freitage gezählt? Immer wenn wir uns fragten welcher Tag es sei, war schon wieder Freitag. Wir wussten der letzte Freitag würde kommen. Wir ahnten Wehmut würde uns ergreifen. Da wir nicht viel Zeit zum Trauern hatten, nahmen wir uns vor den Freitag sinnvoll zu nutzen. Änn & Fänn schwammen kurz entschlossen zu Frank und Dianas Hotelstrand rüber. Wir Mädels kicherten bereits in den Wellen, bevor Diana uns vernahm und schwammen auch wieder zurück. Da der sportliche Teil des Tages bereits hinter uns lag, genehmigten wir uns zum Abschluss noch eine indonesische Cooking Class.
Es war 16 Uhr die Hitze stand noch auf der Insel wie ein Schwergewichtsboxer in der ersten Runde seines Kampfes. Es wurde geschält und geschnippelt, gebrutzelt und gebraten. Eine sehr unterhaltsame Kochstunde in einer sehr privaten Atmosphäre. Änn & Fränn waren zusammen mit Diana die einzigen Kochschüler. Zwei Lehrer standen dem Trio zur eigenen Verfügung. Frank beobachtete das interessante Szenario vom Rand der Küche. Er hielt es in Bild und Ton fest und ergatterte sich immer wieder eine verdiente Kostprobe. Gestartet wurde mit der Zubereitung des Nachtisches, grüne Teigbälle mit Kokosstreusel. Der erste Gang bestand aus frittierten Tofu serviert an feiner Erdnusssoßen. Bevor es zum ersten Hauptgang ging, bereiteten die Kochschüler einen indonesischen Gemüsesalat vor. Ein traditionelles Nudelgericht namens Mie Goreng folgte auf ein delikates Hühnercurry. Die Kochlehrlinge schwitzen. Sie konnten sich gar nicht so schnell mit frischen Bintang herunterkühlen, wie es bei diesen Temperaturen eigentlich angebracht wäre. Die Kochstunde endete mit gedehnten Bäuchen und vielen Rezeptanregungen für die Heimat. Die fleißigen Lehrköche konnten es kaum erwarten ihr Erlerntes in der Heimat anzuwenden, vielleicht bei einem „Stammtisch Asia“ außerhalb der gastwirtschaftlichen Szene.