Silvester in Goa, Hill Top Vagator

Nach den ganzen Flugstrapazen beschlossen wir den ersten Tag am Meer in Calangute zu genießen. Der Strand ist der größte in Nordgoa und wird von Tausenden einheimischen und internationalen Touristen gleichermaßen besucht. Badesachen an und los Richtung Meer. Wir schlenderten die Straße entlang und waren etwas überfordert von den vielen Menschen. Es ist die Hauptreisezeit, Weihnachten und Neujahr und dementsprechend waren viele einheimische Touristen am Strand. Die Sonne brannte auf der Haut und es war herrlich warm, endlich waren wir angekommen – Urlaubsstimmung. Am Meer angekommen waren wir etwas geschockt von dem ersten Anblick, überall Inder die mit Kleidung an dem Strandabschnitt im Meer badeten und alle wollten Fotos mit uns da viele Inder hier in Goa Urlaub machen und nicht oft weiße Haut sehen. 


Strand in Calangute

Wir liefen den Strand entlang auf der Suche nach dem perfekten Platz. Überall gab es Sonnenliegen und Schirme, mit WLAN oder ohne, mit Musik oder aber ohne. Schnell verstanden wir, warum es vorne an dem Eingang so voll war, denn scheinbar können, auch hier wieder viele nicht schwimmen. Somit baden viele an den bewachten Stellen mit Bademeister, unser Glück denn wir bevorzugten dann einfach die Abschnitte, wo es keinen Bademeister gab. So fanden wir eine etwas ruhigere Stelle. Eine Strandliege mit Handtuch gab es kostenfrei, wenn man für 500 Rupien am Tag etwas isst oder trinkt. 500 Rupien sind gerade einmal etwas über 6 € für zwei Personen, somit genehmigten wir uns am Strand ab jetzt immer eine Liege und das auch noch in der ersten Reihe direkt am Meer. 


Klassisches indisches Essen

Fränn beobachtete den ganzen Tag die Inder am Strand. Eine nette Masseurin überredete Fränn zur Massage. Leider konnte die Frau nicht direkt an der Liege massieren und man musste mit der Dame mitgehen, egal dachte Fränn da sie von der Hinreise immer noch sehr fertig war. Zur Massage ging es abenteuerlich zu einem Verschlag, durch einen Busch hinter der Bar. Am Wegesrand stand ein Plastik Stuhl, was scheinbar der Behandlungsraum war. Fränn traute sich nicht zu gehen da sie die Frau nicht enttäuschen wollte und nahm Platz. Für 350 Rupien gab es eine Fußmassage, die sie so noch nicht erlebt hatte. In Myanmar war es damals schon abenteuerlich aber das toppte nochmal alles. Fränn und die Masseurin unterhielten sich über die Touristen, über die Kultur in Indien und Gott und die Welt. Endlich erklärte die Dame nochmal die Bedeutung des roten Punktes auf der Stirn bei den Frauen. Hindus bekommen einen roten Punkt auf die Stirn, wenn sie verheiratet sind, einen schwarzen Punkt, wenn sie Witwe sind. Reiche Inder erkennt man an ihrem Goldschmuck. Alles hat in Indien scheinbar eine Bedeutung und die Inder konnten es nicht verstehen, wenn ein Piercing bei uns keine Bedeutung hat. Hier in Indien gibt es sehr viele Bedeutungen von Farben bis hin zum Schmuck. Sie wollte auch wissen, warum ich einen Nasenpiercing habe und was die Tätowierungen bedeuten. Warum trägt man das Piercing in der Mitte? In Indien trägt man den Nasenring rechts, links oder beide Seiten aber halt nicht in der Mitte. Die Masseurin erklärte Fränn, die Touristenverteilung. Hier in Calangute gibt es viele Schweden, Dänen und Deutsche. Die hier entweder leben oder seit ewigen Jahren schon herkommen und Goa treu sind. Sie mag die Schweden, Dänen und Deutsche. Russen und Polen nahm sie eher aggressiv wahr und wollte von mir wissen, wo Polen liegt. Wir tauschten uns aus und nach ca. zwanzig Minuten kehrte ich auf die Strandliege zurück und erzählte Mariana von meiner aufregenden Massage am Wegesrand. 

Auf dem Nachhauseweg trafen wir am ATM eine ältere Dame, die uns all unsere offenen Fragen beantworten konnte. Sie hieß Doro, kommt aus Kreuzberg und ist seit Juli schon hier. Sie hat zwar eine Wohnung in Berlin, lebt in den Wintermonaten seit vielen Jahren schon hier in Goa. Für fünf Monate bekommt sie ein Visum und alle drei Monate muss sie kurz aus und wieder einreisen damit sie hier bleiben kann. Doro machte einen sehr fitten Eindruck, sie hatte ein Kleid an und an der Seite die klassischen wiederverwertbaren Einkaufstüten von dm die man zusammen falten kann. Doro ist in Frührente und bekommt Witwenrente da sie ihren Mann und Sohn vor 16 Jahren verloren hat. Sie erzählte uns ihr halbes Leben, dass sie vierundzwanzig Jahre als Krankenschwester in der Psychiatrie gearbeitet hat und das sie mehrere Therapien hinter sich hatte. Die Ärzte setzten sie immer wieder auf Antidepressiva und irgendwann suchte sie selber nach Antworten auf ihre Fragen und Hilfe. Etwas Schlimmeres kann einem wohl kaum passieren, wenn man Mann und Kind verliert. Sie zeigte uns auf ihrem Oberkörper ein Tattoo – es war ihr Sohn als Baby als Erinnerung. Den Tränen nahe hörten wir gespannt zu und waren fasziniert, wo Doro ihren Lebensmut nur her nimmt. Denn sie hatte eine unfassbare Energie und scheinbar hatte sie ihren Weg gefunden. Wir fragten Doro Löcher in den Bauch. Wie und warum gerade Indien als Wohnort? Ihre Antwort: „Durch Yoga bin ich nach Indien gekommen. Sie nahm sich vor vielen Jahren einen Guide und pilgerte quer durch das Land und es war Liebe auf den ersten Blick. Doro beschäftige sich intensiv mit den Religionen der Welt, der Hinduismus und Buddhismus sind die Religionen, die ihre Überzeugung am meisten trafen aber sie war fest von dem „Ich“ überzeugt. Sie glaubt mittlerweile an sich und keine höhere Macht, obwohl sie Katholisch in Deutschland aufwuchs. Man merkte ihr an, dass sie schon unfassbar viel in ihrem Leben erlebt hatte. Wir sprachen über Donald Trump, über die Politik in Deutschland und ihr Leben hier in Indien. Gerne würde sie komplett hier her auswandern aber kann sie sich hier kein Land kaufen da dies für Nicht-Inder nicht möglich ist. Bedingung, wie in vielen Ländern, nur gekoppelt mit einer Heirat. Zwar hatte sie einen Freund hier in Indien aber würde sie bei einer Heirat dann keine Witwenrente mehr bekommen. Und was wäre, wenn ihr indischer Freund sie dann verlassen würde? Zu unsicher und gefährlich denn man weiß ja nie was passiert und somit probiert sie mit ihrer kleinen Rente hier zu überleben und zur Not könne sie auch immer wieder in ihre Wohnung nach Kreuzberg zurück, wo sie scheinbar einen sehr alten Mietvertrag hat. Von Politik und Wirtschaft wechselten wir auf einmal zu Blut trinkende Reiche, die Rothschilds, Clintons, Kennedys und JP Morgan. Reiche die Kinder essen und Kinderblut Transfusionen als Verjüngungselixier. Die Geschichten wurden immer verrückter doch die Frau hatte ein beeindruckendes Wissen. Wir waren schockiert und verabschiedeten uns mit den Worten: „Vielleicht sehen wir uns später bei Shiva Hills“ zur Silvesterparty.


Unser Abschied von Doro

Fränn recherchierte später nach „Jungblut als Anti-Aging-Kur?“ und es gab sie wirklich. Das, was wie ein Horrorfilm klingt, ist Realität. Es gab in den USA ein Startup was Plasmaspenden an Reiche vermittelte. 8.000 Dollar für 1 Liter junges Blutplasma verlangte die US-amerikanische Firma „Ambrosia“. Die Firma berief sich dabei auf eine Studie von 2014 der Universität Stanford wo mit Jungblut experimentiert und nachgewiesen wurde, dass ein bestimmtes Protein jung hält. Erst im Februar 2019 wurden die Plasma-Infusionen gegen das Altern verboten. 

Zurück im Hotel angekommen waren wir uns immer noch nicht sicher, wo wir die Silvesternacht verbringen wollten. Ein Engländer vom Vortag in einer Bar meinte noch zu uns: „Verlasst auf keinen Fall Calangute und bleibt am besten hier“ da es hier sicher sei. Doro hingegen empfahl uns sogar den dunklen Berg bei Baga am Meer zu überqueren was uns aber etwas zu weit war. Fränn liebäugelte mit einer Goa Party, Hill Top – der Klassiker überhaupt. Dabei handelt es sich, um die Mutter aller Goa Festivals in Goa. Ein Festival auf einem Berg in dem Nachbarort Vagator, ein Muss für jeden Goa Fan. Mariana hingegen war es egal, sie wäre auch in Calangute geblieben. Also entschieden wir erstmal Abendessen zu gehen und spontan zu entscheiden. Es gab frischen Fisch und ein Bier da heute ja Silvester war. Nach dem Essen stand der Plan, egal was der Engländer erzählte wir wollten, zur Hill Top Party in Vagator. Also beschlossen wir am Taxistand eine Möglichkeit zu suchen und Fränn feilschte Taxifahrer für Taxifahrer, um den günstigsten Preis und mit 1500 Rupien ging es los. Mit viel Geschickt bekam sie ein Fahrer überredet, der uns für 800 Rupien zum Hill Top fuhr, immer noch viel zu teuer aber heute war ja Silvester und alle sind unterwegs und die Tuk Tuks und Taxis begehrt. Es waren unfassbar viele Leute auf den Straßen.


Tuk Tuk Fahrer Raheez

Wir vertrauen unserem netten Fahrer namens Raheez denn hinschauen durfte man nicht. Der Verkehr war verrückt – ganz Goa war im Auto unterwegs, nichts ging mehr doch unser Tuk Tuk schlängelte sich einfach an den Taxis vorbei. Der Tuk Tuk Fahrer erzähle uns die ein oder andere Geschichte und brachte uns sicher nach Vagator und gab uns den Tipp für das nächste Mal, dass ein Tuk Tuk von Calangute bis nach Vagator 400 Rupien für Touristen kostet somit hatten wir einen guten Richtwert und ließen uns nicht übers Ohr hauen. Am Hill Top angekommen waren überall Menschen, ein Parkplatz voller Roller, Motorräder und Autos. 


Der Parkplatz vor dem Festival

Die Goa Trance Klänge konnte man schon von weitem hören und die Lichtshow zog uns magisch an. Links und rechts Stände mit indischen Muttis die Essen und Getränke verkauften. Wir gingen Richtung Eingang und stellten uns in die erstbeste Schlange. Ein netter junger Mann belauschte uns und wies uns drauf hin, dass wir in der Schlange für die Vorverkaufsticket standen, im Gegensatz zu ihm hatten wir nur 2 Stunden und nicht 2 Monate im Voraus geplant. Also an die Abendkasse und Fränn fragte nach dem Preis. Der Mann am Schalter antwortete: 6000 Rupien pro Person. Sie musste zweimal fragen: „6000 Rupien für ein Ticket?“ Das kann nicht sein. Fränn ging zu dem jungen Mann in der Vorverkaufsschlange zurück und fragte ihn, wie viel er für das Vorverkaufsticket bezahlt hatte. 5000 Rupien vor zwei Monaten sagte er. Unfassbar und unter Schock standen wir nun am Rand. 150 € für zwei Tickets hier in Indien für einen Tag feiern, dabei wollten wir doch nur schauen, richtig ausrasten war uns viel zu gefährlich. Nach kurzem hin und her entschieden wir uns doch zwei Tickets zu kaufen. Wer weiß, ob man nochmal herkommt. Also zurück an die Kasse und zwei Bänder gekauft. Kurz hinter dem Eingang stand das Line-up DJ „Ace Ventura“ den Fränn von der Antaris zu Hause kennt stand auf dem Line-up und ihr Herz schlug höher also rein ins Vergnügen.


Das Silvester Line-up

Der Plan für die 36 Stunden Party konnte sich sehen lassen. Wir passierten den Einlass und standen nun da. Vorne Palmen, links konnte man Getränkemarken erwerben und rechts die Bar. Die große Bühne zog uns magisch an. Sie hatte die krassesten Lichteffekte, die wir je gesehen hatten und wir erkundeten das Areal. Zu unserem Erstaunen war es recht klein, sehr klein und es gab auch nur die eine Bühne. Vorne die Bühne und links und rechts Stände mit indischen Frauen an Tischen die Marsala Tee, Omelett und Nudeln kochten. Es gab Schokolade, Obst, Zigaretten – halt alles was das Feierherz begehrt. Für Getränke musste man sich Getränkemarken kaufen. Ein 0,3 l Bier kostete 300 Rupien (3,80 €) was wir als sehr teuer empfanden. Ein Cocktail kostetet hingegen auch 300 Rupien was keinen Sinn machte und ein Wasser kostete 100 Rupien. Getränke auf das Gelände mitnehmen war verboten, nicht so wie wir es aus Deutschland von Goa Festivals gewohnt sind. Überall Security, die die Leute bewachten somit brauchte, man sich keine Sorgen, um irgendwas zu machen. Es gab Toiletten und fließend Wasser zum Händewaschen aber sonst halt alles irgendwie anders als in Deutschland. Die Party startete um 16 Uhr Nachmittags und ging bis Neujahr 22 Uhr also überschaubar. Man schläft hier auch nicht im Zelt auf dem Gelände, sondern bleibt hier oder fährt ins Hotel oder Hostel in der Umgebung. Mittlerweile war es 23 Uhr und wir freuten uns auf Mitternacht, was würde wohl passieren? Gibt es ein Feuerwerk? Wie feiern Inder Silvester?


Die Hauptbühne

Kurz vor zwölf wurde es etwas lauter und um Mitternacht freuten sich die Leute und tanzten einfach weiter als, ob nichts wäre. Drumherum sah man das Feuerwerk der anderen Partys am Himmel doch bei uns wurde einfach weiter getanzt. Sehr schön, keine nervigen Knaller einfach ausgelassen weiter tanzen und dem ein oder anderen ein „Happy New Year“ wünschen.


Wir blieben bis 2 Uhr und entschieden am morgigen Tag zu DJ Ace Ventura nochmal wiederzukommen. Am Ausgang standen die Taxifahrer wieder bereit die zahlungswilligen Touristen nach Hause zu fahren. 1000 Rupien wollten die Fahrer für eine Tour nach Calangute. Leider bekamen wir das Taxi nur auf 800 Rupien runtergehandelt aber gut es war ja schließlich Silvester und der Fahrer fuhr uns sicher ins Zentrum von Calangute, wo wir dann das letzte Stück per Fuß zum Hotel liefen. Am Hotel angekommen war noch richtig Rambazamba und scheinbar waren wir die einzigen, die um so eine frühe Zeit ins Bett gingen.

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Ein Gedanke zu „Silvester in Goa, Hill Top Vagator

  1. Na das klingt doch nach einer gelungenen Silvesterparty. Unsere Silvesternacht war auch ganz nach meinem Geschmack aber eure klingt kontrastreicher. Echt toll 👏. Die Geschichte mit Dora, so hieß doch die Dame ist auch nicht schlecht. Reisen bildet und man hört im wahren Leben, krasse Geschichten, Schicksale und das wahre Leben.
    Die Frau tut einem Leid, was sie durchmachen musste, aber Sie hat ihren Weg gefunden und darauf kommt es an.
    Nun hoffe ich nur noch das ihr auch wieder zurück kommt, denn Indien scheint euch zu faszinieren.
    Weiter viel Spaß und hoffe euch am Sonntag hier zu sehen.
    Liebe Grüße Eure Lieblings Sister

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